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GESCHICHTEN AUS DEM SARNTAL

Wie in Reinswald alles begann

Im Jahr 1975 gründen Bill Gates und Paul Allen das Unternehmen Microsoft. Niki Lauda gewinnt seinen ersten Formel-1-Weltmeister-Titel, Muhammad Ali den „Thrilla in Manila“ gegen Joe Frazier. Und in Reinswald, einem kleinen Bergweiler im Südtiroler Sarntal, wird mit der Eröffnung des Skigebiets Geschichte geschrieben. Josef Trienbacher, der „Gerin Sepp“, erinnert sich.

Als im Jahr 1973 in Sarnthein die erste Südtiroler Skifabrik ihre Tore öffnet, beschließen im wenige Kilometer nordöstlich gelegenen Reinswald mehrere Sarntaler Pioniere, ein Skigebiet zu bauen. „Zufällig. Mit der Skifabrik hatte unsere Idee nichts zu tun“, versichert Josef Trienbacher, der Gerin Sepp, 44 Jahre später. „Eigentlich wollte der Kircher Franz einen kleinen Schlepplift oberhalb des Hotels Kircherhof bauen. Da haben wir in Reinswald gemeint, dass es wohl besser sei, etwas Größeres zu errichten.“

Gesagt, getan. Noch im selben Jahr wird eine Gesellschaft gegründet. Als treibende Kräfte nennt Trienbacher die Saur-Brüder Paul und Luis Hochkofler. Die Gesellschafter, zu denen weitere Reinswalder, aber auch andere Sarner gehören, zahlen in der Folge ein Kapital von 60 Millionen Lire ein. Ein Jahr später wird im Sommer mit dem Bau begonnen, 1975 kurz vor Weihnachten stehen ein Sessellift und zwei Schlepplifte. Kostenpunkt: 400 Millionen Lire – und damit fast sieben Mal so viel, als das eingezahlte Kapital. „Das war im ersten Moment schon ein Schock für uns. Der Schuldenberg hat uns am Anfang so manche schlaflose Nacht bereitet. Aber es half nichts, da mussten wir jetzt durch“, erzählt Josef Trienbacher, der in den folgenden 22 Jahren in den Wintermonaten an der Talstation als Kassier gearbeitet hat. „An der Militärschule in Bruneck habe ich sehr gut italienisch gelernt. Andere Reinswalder sprachen überhaupt gar kein italienisch. Und weil gleich schon die ersten Touristen aus den anderen Regionen Italiens, aber auch Bozner kamen, und natürlich kein deutsch sprachen, bin ich zu diesem Posten gekommen. Lustig war, als mich eine italienische Touristin gefragt hat, ob ich auch deutsch kann.“

Wenn der Kartenverkäufer zwei Mal klingelt


Als Kassier ist Josef Trienbacher voll in seinem Element. Abends, wenn seine Schicht eigentlich schon zu Ende ist, eilt er von Hotel zu Hotel, von Pension zu Pension. Und verkauft dort bereits die Liftpässe für den nächsten Tag. „Ich wollte einfach lange Warteschlangen am Morgen vermeiden. Und was verkauft ist, ist verkauft – habe ich mir damals gedacht.“ Es sind unbezahlte Überstunden, die Trienbacher aus der Begeisterung heraus macht. Für das Skigebiet Reinswald hat dieser Dienst aber einen unschätzbaren Wert.

Nach dem ersten Winter steht trotzdem „nur“ ein Umsatz von 29 Millionen Lire zu Buche. Weniger, als sich die Reinswalder ursprünglich erhofft hatten. Aber davon lassen sich die Sarntaler Skipioniere nicht aus der Fassung bringen. Auch nicht von Stromrechnungen in Höhe von 90 Millionen Lire, die dem Gerin Sepp ins Haus, oder besser gesagt in die Talstation von Reinswald, flattern. Denn bereits in den darauffolgenden Jahren floriert das Wintergeschäft im sonnigen Skigebiet im Herzen Südtirols. Die Schulden werden nach und nach abgestottert – auch dank der finanziellen Unterstützung der Landesverwaltung. „Wir haben zehn Jahre lang einen Beitrag von 11 Millionen Lire erhalten. Natürlich wäre es uns lieber gewesen, wenn wir sofort 110 Millionen erhalten hätten, um den Schuldenberg sofort zu verringern“, erinnert sich Josef Trienbacher, der im Dezember seinen 81. Geburtstag feiert.

Die ersten Pistenraupen und Schneekanonen kommen

 

In Reinswald ruht man sich in den Folgejahren nicht auf den Lorbeeren aus. Im Gegenteil. Erwirtschaftete Gewinne werden postwendend investiert. Zum Beispiel in Pistenraupen. Und ab der Saison 1988/89 auch in Schneekanonen. „In jenem Winter mussten wir das Skigebiet komplett zulassen. Es hat bis Ende Februar nie geschneit, das Wetter war immer schön – obwohl vom Klimawandel damals noch niemand sprach. Da mussten wir reagieren. Ich kann mich noch gut erinnern, dass so eine Schneekanone um die 50 Millionen Lire gekostet hat, gleich viel wie ein Luxusauto. Ich konnte nicht verstehen, wie so ein Gerät aus ein paar Schrauben und Kabeln so teuer sein kann“, staunt Trienbacher noch heute.

Nach der Saison 1996/97 gibt Josef Trienbacher seine Tätigkeit als Kassier auf. Es ist die Zeit, in der in Reinswald mit dem Bau der Kabinenbahn die Weichen für die nächste Zukunft gelegt werden. „Wenn ich heute zurückblicke, dann bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben. Bis auf drei Winter konnten wir immer Gewinne erzielen. Als ich abgetreten bin, war die Gesellschaft schuldenfrei. Und ich denke, dass wir etwas geschaffen haben, das auch der Sarner Bevölkerung heute noch zugutekommt. Das erfüllt mich mit besonders viel Genugtuung“, strahlt der Gerin Sepp zum Abschied.

Von Hannes Kröss

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